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Karl <Pfalz, Kurfürst>:
Philothei Symbola Christiana, quibus idea hominis Christiani exprimitur.
Frankfurt <Main>: Zubrod, 1677. [6], 204 S.; 23,5 x 18 cm
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts begannen burgundische und französische Ritter, sich ein
persönliches Abzeichen zuzulegen, das den Namen oder Wahlspruch des Trägers mit einem
Sinnbild verknüpfte. Als 100 Jahre später französische Ritter in Italien eindrangen und sich dort
festsetzten, gelangte die Mode der "Impresen" (ital. impresa = Unternehmung; i. eroica =
Heldentat; i. araldica = Wappenschild) in den Gesichtskreis der Renaissancehumanisten. Als
erster griff der lombardische Jurist Andreas Alciatus (1492-1550) die Kombination von Devise
und Sinnbild auf. In seinem "Emblematum liber" (Augsburg, 1531; griech. emblema =
eingesetztes Zierwerk) fügte er beiden Elementen als drittes eine knappe Erläuterung in
lateinischen Versen hinzu. Zugleich hob er den Gedanken auf die Ebene des Allgemeingültigen.
Die von ihm verwendeten antiken und eigenen Epigramme formulieren Einsichten und Maximen
moralischer Art. Diese werden durch bildliche Darstellungen aus dem Bereich der Natur, der
Geschichte, des Mythos usw. illustriert. Die kleinformatigen Bilder zeigen einen bekannten
Vorgang, der in allegorischer Weise als Zeichen gedeutet werden kann. Dem Bild (pictura, icon,
imago, symbolum) und seiner epigrammatischen Auslegung (subscriptio) wird eine Aufschrift
bzw. Überschrift (inscriptio, lemma, motto), die den Sinn in oft rätselhafter Kürze andeutet,
vorangestellt.
Daß die damit geschaffene emblematische Gattung bald in ganz Europa begeistert aufgenommen
und mehr als zwei Jahrhunderte lang eifrig gepflegt wurde, verdankt sich dem Interesse der
Humanisten an der Lebensweisheit und ihrer Hochschätzung der knappen, einprägsamen Form,
ferner dem Verlangen der Epoche, im Sichtbaren das Unsichtbare aufzuspüren und die
geschaffene Welt als Buch göttlicher Offenbarung zu lesen, weiterhin dem Reiz der Erfindung
solcher Sinnbilder, die zum geselligen Zeitvertreib wurde, und nicht zuletzt der Freude des
Publikums am illustrierten Buch. Die spätere Entwicklung wurde von zunehmender
Ausführlichkeit und Spezialisierung geprägt. Oft trat zu der metrischen Subscriptio ein längerer
Prosakommentar hinzu. Das vorliegende Emblembuch von 1677 gehört dieser späten
Entwicklungsstufe an.
Als sein Autor gilt Kurfürst Karl II. (1651-1685, reg. 1680-1685), der letzte Pfalzgraf aus der
reformierten Simmern'schen Linie. Er war von seinem Vater Karl Ludwig, dem tatkräftigen
Förderer des Wiederaufbaus der Kurpfalz nach 1648, schon als Knabe bedeutenden Gelehrten
zur Erziehung übergeben worden - zuerst dem Theologen Ezechiel Spanheim, dann dem Juristen
Samuel Pufendorf und schließlich (1664) dem Historiker Paul Hachenberg (1642-1680). So
wurde er gelehrt, entwickelte aber keine Neigung zum Geschäft des Regierens. Als er seinem
Vater 1680 nachfolgte, überließ er die Leitung der pfälzischen Politik seinen engsten Vertrauten -
zunächst Hachenberg, dann dem Hofprediger Johann Ludwig Langhanns. Er selbst suchte seine
Schwermut, die wohl vom dauernden Zerwürfnis seiner Eltern herrührte, durch die
Vergnügungen der Jagd und militärischer Manoeuver zu zerstreuen. Freude fand er auch an
allegorischen Aufzügen und am Theaterspiel.
Das emblematische Werk "Philothei Symbola Christiana" muß als einzige dauerhafte Leistung
Karls gelten. Als es 1677 erschien, lebte der sechsundzwanzigjährige, mit einer dänischen
Prinzessin vermählte Kurprinz ohne rechte Aufgabe am Rande des pfälzischen Hofes, der von
seinem Vater und dessen Kindern aus einer zweiten Verbindung dominiert wurde. Karls
Antipathie gegen die ihm aufgezwungene Gemahlin verstärkte noch seine Neigung zum Rückzug
auf sich selbst. So ist es nicht nur dem Einfluß Hachenbergs zuzuschreiben, daß Karl sich in die
erbaulichen, ja mystischen Betrachtungen der "Symbola Christiana" versenkte. Ihr Tenor ist die
Abwendung der Seele vom Irdischen und die Hinwendung zu Gott als dem Quell des Lichts und
des ewigen Lebens und dem Retter in allen Nöten des Erdenlebens. Daß Karl seine Devise "In
solo Zebaoth" ernst nahm, bewies er gleich nach seinem Regierungsantritt, als er anstelle der von
seinem Vater geübten religiösen Toleranz die strenge kalvinistische Kirchenzucht
wiedereinführte und die anderen Konfessionen zurücksetzte.
Der produktive Anteil des Kurprinzen an dem Emblembuch ist schwer abzuschätzen. In seiner
Vorrede an den Leser rühmt Hachenberg an "Philotheus" (dem Gott Liebenden), also Karl, die
Fruchtbarkeit und Spontaneität der Erfindung. Ihm selbst sei nur die dankbare Aufgabe
geblieben, die metrischen Subscriptiones hinzuzufügen. Da die emblematische Gattung sich
ohnehin durch Entlehnung und Variation fortpflanzte und erbauliche Betrachtungen, wie sie hier
zu den Sinnbildern hinzutreten, Gemeingut waren, bedeutet es nicht allzu viel, ob die Autorschaft
eher Karl oder Hachenberg zuzuschreiben ist. Die lateinischen Gedichte jedenfalls sind
schwungvoller und eleganter als die etwas schwerfällige Prosa der Erläuterungen. In seinem
Vorwort an den Leser sucht Hachenberg die Tatsache, daß ein Fürst wie Karl sich der geistlichen
Emblematik widmet, zu rechtfertigen. Er qualifiziert das literarische Ingenium des Fürsten als
"göttlich", das Emblem an sich als "heroische" Gattung, weil es erhabene Gedanken und
Tugenden darstelle, und die Besinnung auf die Kraft Gottes als wirksamste Stütze des Menschen
im Wechselspiel des Glücks. Die Kupferstiche sind - mit Ausnahme des Kupfertitels - nicht
signiert. Sie dürften jedoch allesamt von dem schon 1671 am Heidelberger Hof tätigen Johann
Georg Wagner aus Nürnberg stammen, den der Kupfertitel nennt. Als Stecher ist dort Martin
Hailler angegeben.
Bereits 1679 erschien in Frankfurt a.M. eine deutsche Übersetzung unter dem Titel "Philothei
Christliche Sinne-Bilder". Weitere Ausgaben in lateinischer, deutscher und niederländischer
Sprache folgten. Ein Beweis für die Wertschätzung, die das Werk weit über den Kreis
befreundeter Fürstenhäuser und reformierter Territorien hinaus genoß, ist seine Rezeption in der
emblematischen Enzyklopädie des Augustinermönchs Augustin Erath (1648-1719). Dieser
übersetzte und vermehrte das Werk des italienischen Geistlichen Filippo Picinelli (geb. 1604) "Il
mondo simbolico" (zuerst 1653). In Eraths "Mundus symbolicus" (1687-1694) sind die meisten
der "Symbola Christiana" aufgenommen und durch rühmende Erwähnung des "Serenissimus
Philotheus" und Wiedergabe der metrischen Subscriptiones gewürdigt.
Als Beispiel geben wir Lemma und metrische Subscriptio des 1. Emblems in (neuer)
Übersetzung.
Emblem 1: Er soll mich besitzen und immer behalten.
Meinen Namen sollen nicht riesige Pyramiden überliefern, nicht wahnwitzig aufgetürmte Massen
meine Siegeszeichen tragen. All dies kann der Zahn langer Zeit vernichten; der wilde Sturmwind
zerstört es mit Regengüssen. Vielmehr soll mein Gemüt mit ewiger Flamme edel brennen und
von reiner Liebe zum Verdienst der Frömmigkeit erglühen. Was wirst du, Vesta, dich noch
deines immerwährenden Feuers rühmen? In meinem Feuer hier glüht auf der große Gott.
Mein Sinnen wird nicht vom heißen Ungestüm der Begierde umgetrieben, es dürstet nicht nach
dem vergeblichen Reichtum, nach dem die Welt dürstet. Mein frommer Sinn wandelt in der
Höhe, er reiht sich unter die Himmlischen ein und überwindet mit seiner Glut die Wolkenhülle
hier. Mein Sinn wird tief innen vom göttlichen Feuer entzündet und dürstet, ganz verzückt, nach
dem ewigen Gott. Sollen doch die unreinen Herzen in irdischer Liebesqual entbrennen! Ich
mache mir nichts aus solch niedrigen Gefühlen; mich läßt die heilige Liebe erglühen.
Inhalt
- Exlibris J.C. Feuerlein
- Kupfertitel
- Haupttitel
- Seite [1]
- Seite [2]
- Seite [3]
- Seite [4]
- Seite [5]
- Seite [6]
- Symbolum 1: Ille habeat servetque.
- Symbolum 2: Secura suis radicibus.
- Symbolum 3: Caetera linquo.
- Symbolum 4: Inde et vita et virtus
- Symbolum 5: Resistendo frangor.
- Symbolum 6: Non inde quietem.
- Symbolum 7: Dum splendet, et omnia splendent.
- Symbolum 8: Illustrat quoque vilia.
- Symbolum 9: Sustentat.
- Symbolum 10: Se ipsum territus horret.
- Symbolum 11: Orientem fugiunt.
- Symbolum 12: Tacta sonabunt.
- Symbolum 13: Et in volvendo quiesco.
- Symbolum 14: Ne consumatur.
- Symbolum 15: Suavis ubique.
- Symbolum 16: Illo splendente levabor.
- Symbolum 17: Supergressus.
- Symbolum 18: Vivis agitur.
- Symbolum 19: Pulcher in adversis.
- Symbolum 20: Laetius ut crescat.
- Symbolum 21: In fragili lusit.
- Symbolum 22: Durabunt.
- Symbolum 23: Motibus internis regitur.
- Symbolum 24: Non nimium securus.
- Symbolum 25: Lumenque a lumine reddit.
- Symbolum 26: Alii famam nomenque dedere.
- Symbolum 27: Non fulgore suo.
- Symbolum 28: Pollet ab admoto.
- Symbolum 29: Nusquam tuta.
- Symbolum 30: Jacet, dum perficitur.
- Symbolum 31: Rumpor in alto.
- Symbolum 32: Dum patior, praeterfluit.
- Symbolum 33: Conditur, ut surgat.
- Symbolum 34: Vincit, dum perdit.
- Symbolum 35: Satis est, favisse suprema.
- Symbolum 36: Noscitur ille tamen.
- Symbolum 37: Te non praesente rigemus.
- Symbolum 38: Mox rediturus.
- Symbolum 39: Sufficit ad mortem.
- Symbolum 40: Etsi remotus.
- Symbolum 41: Vitam praesentia reddit.
- Symbolum 42: Agitante calescimus illo.
- Symbolum 43: Rediviva calore.
- Symbolum 44: Erigit.
- Symbolum 45: Animo, dum animor.
- Symbolum 46: Dirigit unus.
- Symbolum 47: Quid moles, si non moves?
- Symbolum 48: Illo alitur vivitque.
- Symbolum 49: Clarius inde micat.
- Symbolum 50: Ut perficiat.
- Symbolum 51: Erigor, dum irrigor.
- Symbolum 52: Muneris omne tui.
- Symbolum 53: Attenuando desinit.
- Symbolum 54: Quid illud in illo?
- Symbolum 55: Et dura, et mollia cedunt.
- Symbolum 56: Ab uno.
- Symbolum 57: Quis alius moveret?
- Symbolum 58: Modò militet aether.
- Symbolum 59: Quid hac absente juvant?
- Symbolum 60: Non tali auxilio.
- Symbolum 61: Ne linquas.
- Symbolum 62: Nec curat, nec sentit amans.
- Symbolum 63: Seque obtulit uni.
- Symbolum 64: Te solam quaerit.
- Symbolum 65: Ibo, quo vertas.
- Symbolum 66: Sponte tua feror aura.
- Symbolum 67: Non quaero, quod capio.
- Symbolum 68: Impavidam ferient.
- Symbolum 69: Mobilibus firmata globis.
- Symbolum 70: Unius ab luce.
- Symbolum 71: Firmatque, ornatque.
- Symbolum 72: Stat mole sua.
- Symbolum 73: Quo altius, eo latius.
- Symbolum 74: Tantum una supersit.
- Symbolum 75: Interiora placent.
- Symbolum 76: Sic externa ruunt.
- Symbolum 77: Et prodest, et obest.
- Symbolum 78: Purior inde fluit.
- Symbolum 79: Fracte tamen melior.
- Symbolum 80: Renovat.
- Symbolum 81: In puro servatur.
- Symbolum 82: Teneras defendo a frigore myrtos.
- Symbolum 83: Mihi destinet aether.
- Symbolum 84: Quaeque suo decora loco.
- Symbolum 85: Diversus et idem.
- Symbolum 86: Suos serventur in usus.
- Symbolum 87: Donec attigerit.
- Symbolum 88: Non devia coeca secutus.
- Symbolum 89: Mortem dabit ipsa voluptas.
- Symbolum 90: Quid juvat?
- Symbolum 91: Fructum, non stirpem ambimus.
- Symbolum 92: Sed non corpus erat.
- Symbolum 93: Et obducta lucet.
- Symbolum 94: Omnes diffugere umbrae.
- Symbolum 95: Tamen est constantia major.
- Symbolum 96: Se intricat.
- Symbolum 97: Facilis descensus.
- Symbolum 98: Peritura viret.
- Symbolum 99: Pariterque peribunt.
- Symbolum 100: Haec me post fata manebat.,
Seite 200,
Seite 201,
Seite 202,
Seite 203,
Seite 204
Mail an MATEO
Heinz Kredel,
E-mail:
kredel@rz.uni-mannheim.de
Wolfgang Schibel,
E-mail:
Schibel@bib.uni-mannheim.de
Emir Zuljevic,
E-mail:
zuljevic@rummelplatz.uni-mannheim.de
Mannheim, 26. Juli 1996
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